19.10.2023

Schnelligkeit durch Struktur und Agilität

Jacek Kruszynski verantwortet seit Oktober 2021 als Chief Technology Officer das Produkt- und Marktsegmentmanagement sowie die Forschung und Entwicklung der MAPAL Gruppe. Die Redaktion der IMPULSE sprach mit dem Chief Technology Officer über Strukturen, Entwicklungsschwerpunkte und Pläne im Bereich Digitalisierung.

Jacek Kruszynski, Chief Technology Officer der MAPAL Gruppe, im Gespräch.
  • Jacek Kruszynski, Chief Technology Officer der MAPAL Gruppe, im Gespräch.
  • Die Klassifizierung der Bearbeitungslösungen orientiert sich an Anforderungen und produzierter Stückzahl.
  • Das Bild zeigt die zur EMO 2023 neu vorgestellten Aluminium-Hochvolumenfraeser.
  • MAPALs CTO Jacek Kruzsynski im Versuchszentrum in Aalen.

Herr Kruszynski, Sie haben das Produkt- und Marktsegmentmanagement reorganisiert und auf neue Beine gestellt. Wie ist die neue Struktur im Markt angekommen? Sind die prognostizierten Vorteile bereits sichtbar?

Die neue Struktur hat dazu geführt, dass unsere strategische Ausrichtung im Markt klar sichtbar ist, auch für neue, potenzielle Kunden. So können wir deutlich machen, in welchen Bereichen und Applikationen wir agieren, welche Ansprechpartner wir zu den strategisch wichtigen Themen haben, und wir unterstreichen unsere hohe Kompetenz in den Fokussegmenten. Im Product and Application Management stehen gezielt Produkte und Anwendungen im Fokus, bei denen wir unsere Kernkompetenz ausspielen können, nämlich die Projektierung und anwendungsbezogene Lösung für kubische Bauteile, für den Werkzeug- und Formenbau und für komplexe Materialien, wie wir sie in der Luftfahrtindustrie sehen. Das Product and Application Management erhält dafür konkrete Bedarfe aus dem Marktsegmentmanagement. Die engen Verzahnungen der neuen Struktur zahlen sich sowohl intern wie extern aus.

Ein wichtiges Ziel war es, deutlich schneller zu werden, zum Beispiel bei der Konfiguration von Werkzeugen beziehungsweise ganzen Bearbeitungsprozessen. Wie haben Sie dieses Ziel umgesetzt?

Die Anforderungen der einzelnen Märkte und Regionen und aber auch der einzelnen Kunden in einer Region in Bezug auf Produktionsvolumina und Qualitätsanforderungen unterscheiden sich erheblich. Dazu spielen auch die Kosten einer Bearbeitungslösung eine Rolle. Diese Anforderungsmatrix haben wir unserer Basic-Performance-Expert Klassifizierung zugrunde gelegt, über die wir applikations- und kundenbezogene Bearbeitungslösungen bis zu einem gewissen Grad vordenken. Wir holen mit dieser Vorgehensweise unsere Kunden dort ab, wo sie sich in Sachen Produktionsvolumen und Qualitätsanforderung befinden.

Bei den Katalogprodukten gibt es diese Klassifizierung im Übrigen schon seit Jahren. Die Übertragung auf Bauteile spiegelt unsere Kompetenz im Hinblick auf kundenspezifische Lösungen wider. Eine Basic-Lösung ist – stark vereinfacht – für Kleinserien, für die Prototypenfertigung ausgelegt. Das bedeutet aber auf keinen Fall, dass die Bearbeitungslösung damit „simpel“ ist. Selbstverständlich kommen hier viele Standardwerkzeuge zum Einsatz, mit den entsprechenden Kostenvorteilen. Ein hochkomplexes Sonderwerkzeug, das in der Expert Solution für die Großserienfertigung mit hohen Qualitätsansprüchen zum Einsatz kommt, würde sich ja in einem solchen Fall niemals rechnen. Die Klassifizierung stellt ein Grundgerüst dar, anhand dessen unsere technischen Berater gezielt auf konkrete Bedürfnisse eingehen können. 
 

Die Klassifizierung der Bearbeitungslösungen orientiert sich an Anforderungen und produzierter Stückzahl.
MAPALs Lösungsportfolio ist in die drei Stufen Basic, Performance und Expert eingeteilt, je nach Bauteilanforderung und produzierter Stückzahl.   ©MAPAL

Am Statorgehäuse für Elektromotoren hat MAPAL im vergangenen Jahr die Basic-Performance-Expert Lösungen präsentiert. Gibt es dieses Portfolio an Musterlösungen also auch für andere Bauteile?

Ja, selbstverständlich. Diese Herangehensweise wenden wir für viele Fokuskomponenten an, bei denen wir entsprechende Qualitätsanforderungen, Produktionsmengen und Kostenvorgaben sehen. In der Fluidtechnik zum Beispiel für Ventilgehäuse oder Steuerblöcke. 

Welche Vorteile bietet diese Klassifizierung für den Kunden? Und für MAPAL?

Unsere Kunden profitieren davon, dass wir in der Angebotserstellung deutlich schneller sind. Die vorgeschlagenen Werkzeuge sind bereits fertig entwickelt und qualifiziert. Darüber hinaus sind auch die internen Abläufe bis zu einem gewissen Maß standardisiert, was zu einem weiteren Zeitgewinn bei der Erarbeitung kundenspezifischer Lösungen führt.

MAPAL war immer dafür bekannt, für den einzelnen Kunden „das letzte µm“ herauszuholen. Ist diese Herangehensweise damit überholt?

Auf keinen Fall! Bei MAPAL war und ist weiter der Kunde im Fokus. Dafür stehen zuvorderst unsere technischen Berater, hervorragend ausgebildet und mit tiefgreifendem Verständnis für die Kundenprozesse. Marktsegment- und bauteilübergreifend gibt es einen Trend, Komponenten immer präziser zu produzieren, um so Ausschuss zu minimieren und auch Energie zu sparen. Daher sind wir trotz der Basis, die unsere Basic-Performance-Expert Klassifizierung bietet, weiter gefordert, das berühmte letzte µm rauszuholen. Und mit unserer Mannschaft vor Ort dafür wie erwähnt bestens ausgerüstet. 

Wie entwickeln sich die Fokusmärkte von MAPAL?

Im Bereich Automotive, besonders E-Mobilität und Chassis & Brakes, sehen wir uns auf einem sehr guten Weg. Unsere Zahlen in Korrelation zu den Marktdaten bestätigen uns, dass wir weiterhin Marktanteile gewinnen. In der Luftfahrt entwickelt sich der Bereich Bohren und Fräsen von CFK-Werkstoffen sehr positiv. Den Werkzeug- und Formenbau mussten wir uns wirklich von Grund auf erschließen. Wir sind auf dem Weg, unsere Leistungen sichtbar, aber hier ist definitiv Luft nach oben. In der Fluidtechnik schließlich, die für uns bei MAPAL ja in gewisser Weise ein „back to the roots“ ist, denn von diesen Bearbeitungen kommt MAPAL her, sehen wir nennenswerte Fortschritte. 

Wo liegen aktuell die Entwicklungsschwerpunkte?

Schwerpunkte in der Entwicklung liegen nach wie vor auf den Applikationen für den Bereich „New Mobility“. Trotzdem vernachlässigen wir keinesfalls Anwendungen für unser angestammtes Kerngeschäft im Automotive-Sektor, auch hier gibt es kontinuierlich Innovationen. Die Werkstoffe Aluminium, Titan und CFK sind ein weiterer Fokus der Entwicklungstätigkeiten, das wird sich in diesem Jahr auch konkret in neuen Produktreihen für Aluminiumbearbeitungen der Automotive- und der Aerospaceindustrie zeigen. Dazu kommen tiefe Bohrungen und die Präzisionsbohrungsbearbeitung. 
Das Bild zeigt die zur EMO 2023 neu vorgestellten Aluminium-Hochvolumenfraeser.
Der Werkstoff Aluminium ist ein wichtiger Schwerpunkt der Entwicklungstätigkeiten. Die neuen Aluminium-Hochvolumenfräser wurden zur EMO 2023 erstmals vorgestellt.   ©MAPAL

Neben dem Fokus auf Prozesslösungen für konkrete Bauteile hat MAPAL in den vergangenen Jahren konsequent sein Standardportfolio auf- und ausgebaut.

Nun gibt es einen Online-Shop mit einem lagerhaltigen Programm. Warum war dieser Schritt unerlässlich und was ist Ihr Ziel im Bereich Standard?

Eine applikationsbezogene Lösung, auch Sonderwerkzeug genannt, dient sehr häufig der Zeiteinsparung, vereinfacht den Bearbeitungsprozess. Standardwerkzeuge weisen eventuell nicht dieselbe Komplexität auf, aber oft können Bohrungen oder Flächen eben auch mit Standardwerkzeugen bearbeitet werden. Diese müssen dann in entsprechender Menge verfügbar sein. Wir haben darauf mit einem definierten, lagerverfügbaren Programm reagiert und einen Online-Shop angeschlossen. Dieses Programm wird auch durchaus weiter ausgebaut – nicht willkürlich, sondern immer im Einklang mit unserem Applikationsportfolio und unseren Fokuskomponenten. Wir werden kein Vollsortimenter werden, auf keinen Fall. Aber für unsere Kernkomponenten stellen wir das komplette Programm in einer marktgerechten Weise zur Verfügung.

Standardwerkzeuge machen Hersteller vermeintlich direkt vergleichbar. Wie punktet MAPAL trotzdem?

Wir scheuen uns nicht vor Vergleichen. Wir wissen, wo wir stehen und was wir können. Am Ende des Tages geht es immer um das Preis-Leistungsverhältnis und die Cost per Part. Daher spielt auch hier unser diversifiziertes Angebot mit Basic, Performance und Expert Lösungen eine Rolle. Wir orientieren uns in allen Bereichen an Benchmarks, sind zum Teil selbst die Benchmark. Da gehört eine Vergleichbarkeit und ein Gemessen-Werden dazu, speziell als Technologieführer. Die Herausforderung nehmen wir selbstbewusst an.

Neben kundenspezifischen und Standardwerkzeugen sind die digitalen, die datenbasierten Werkzeuge und Lösungen inzwischen eine unerlässliche dritte Dimension, die jeder Werkzeughersteller haben muss. Wie geht MAPAL mit dieser Herausforderung um?

Natürlich arbeiten wir intensiv an digitalen Lösungen für unsere Kunden. Daneben treiben wir durch Digitalisierung und Automation die Effizienzsteigerung in der eigenen Produktion voran. Die Bereitstellung einer digitalen Plattform zur Entdeckung einer Marke und ihrer Produkte ist eine Anforderung heutiger Märkte. Das trifft in unserer Branche ebenso zu und hat große Auswirkungen. Digitale Lösungen gibt es inzwischen viele. Meiner Meinung nach sind jedoch noch kaum „Easy-to-use“ Solutions auf dem Markt. Selbstverständlich, es gibt Online-Shops und Auswahlguides. MAPAL selbst bietet über c-Com Softwarelösungen für das Toolmanagement an, wobei wir die Logistik und die Umlaufphase monitoren und auch Rückschlüsse ziehen, um die Werkzeuge zu optimieren. Aber bei umfassenden Lösungen gibt es tatsächlich noch sehr viel Luft nach oben. Setzen diese doch voraus, dass Kunden ihre Fertigungseinrichtungen für uns beziehungsweise allgemein Lieferanten ganz öffnen und tiefgreifende Partnerschaften einzugehen bereit sind. 

Grundvoraussetzung für alles Digitale ist natürlich die Datenbasis. Die muss stimmen. Alle unsere Produkte müssen „Ready for Digitalisation“ sein. Da spielen verschiedene Formate und Plattformen eine Rolle. Aufgrund der Wichtigkeit dieser Thematik haben wir ganz aktuell die neue Abteilung „Product Automation“ ins Leben gerufen, die sich um alle Belange der Digitalisierung unserer Produkte kümmert und den digitalen Zwilling über die einzelnen Prozesse hinweg strukturiert, erstellt und pflegt. Übrigens konnten wir viele der dafür ausgeschriebenen Stellen intern besetzen. Das freut mich ganz besonders. Wir haben diese Spezialisten an verschiedenen Standorten in unserer Organisation, die noch dazu MAPAL kennen und direkt produktiv arbeiten können. Durch dieses Bündeln von Kapazitäten und Fähigkeiten erhoffe ich mir ganz viele Synergien und eine Beschleunigung in diesem Bereich. 
 

MAPALs CTO Jacek Kruzsynski im Versuchszentrum in Aalen.
„Wir scheuen uns nicht vor Vergleichen. Wir wissen, wo wir stehen und was wir können.“ Jacek Kruszynski   ©MAPAL

Welche Ziele haben Sie für die nächsten fünf Jahre?

Ich möchte in jedem Fall in den nächsten fünf Jahren unser Ziel erreichen, die Nummer 1 im Bereich New Mobility zu sein, und das mit schnell und zuverlässig gelieferten Lösungen. Die Kundenzufriedenheit messbar weiter zu steigern, ist mir ebenfalls sehr wichtig. Auch möchte ich in fünf Jahren ein digitales Umfeld haben, mit dem unsere technischen Berater und Ingenieure noch zielgenauer Angebote erstellen können. Über all diesen Zielen steht das Streben danach, unsere Agilität nennenswert zu steigern. 
 

Vielen Dank für das Gespräch.


Kathrin Rehor, PR Project Manager bei MAPAL

Kontakt

Kathrin Rehor Public Relations Kathrin.Rehor@mapal.com Tel.: +49 7361 585 3342


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