01.03.2018
Kleiner, hitzebeständiger und immer individueller - Anwendungsorientierte Spanntechnik bei MAPAL
Produktmanager Jochen Schmidt über Mehrwerte von Spannfuttern im Zerspanungsprozess
Die Rolle der Spanntechnik hat sich verändert. Vom bloßen Halter der Werkzeuge und Massenartikel haben sich die Spannfutter mehr und mehr zum anwendungsorientierten Leistungsträger entwickelt. Denn damit Zerspaner sowohl das Werkzeug als auch die Maschine bestmöglich nützen können, spielt das Spannfutter eine entscheidende Rolle. Gänzlich neue Möglichkeiten in diesem Bereich eröffnete die additive Fertigung. Wie es dazu kam und wie sich die Spanntechnik weiterentwickelt, berichtet Jochen Schmidt, Produktmanager Spanntechnik bei MAPAL.
Spanntechnik und MAPAL – was brachte einen Hersteller von Präzisionswerkzeugen dazu, auch in diesem Bereich aktiv zu sein?
Die Zerspanung und ihre Ergebnisse sind immer eine Summe aus verschieden Faktoren. Das heißt, damit ein Werkzeug das Maximum seiner Leistungsfähigkeit erreicht, muss auch seine Spannung bestens für die verschiedenen Gegebenheiten ausgelegt sein. Als Lösungsanbieter im Bereich der Zerspanung war es für MAPAL deshalb nur konsequent das Portfolio um Spannfutter zu ergänzen.
Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet – hat sich diese Entscheidung ausgezahlt?
Ganz klare Antwort: Ja! Für unsere Kunden liefern wir alles für den Zerspanungsprozess aus einer Hand.
Welche Rolle spielt die additive Fertigung in der Spanntechnik bei MAPAL?
Generell haben wir in den vergangenen Jahren einen Trend in der Spanntechnik hin zu individuellen Kundenlösungen festgestellt. Dank der additiven Fertigung haben wir viele, bisher nicht realisierbare, Konzepte für unsere Kunden umsetzen können. Für den optimalen Prozess muss die Spannstelle beispielsweise oft näher an die Wirkstelle am Bauteil gebracht werden, als dies bisher möglich war. Hierfür sind Spannfutter notwendig, die ohne Leistungsverlust extrem schlank gebaut sind. Dieser Forderung kommen wir unter anderem mit den Hydrodehnspannfuttern mit schlanker Kontur nach. Sie machen die Hydrodehnspanntechnik genau dort nutzbar, wo bisher nur Schrumpffutter im Einsatz waren. Das hat für den Kunden neben dem genaueren Rundlauf und der hochgenauen Spannung zusätzliche Vorteile: Zum einen ist das Handling von Hydrodehnspannfuttern deutlich einfacher. Die Anwender können Werkzeuge schneller spannen, zum anderen können sie auf die kostenintensive Peripherie rund um die Schrumpffutter verzichten.
Wie werden die Spannfutter konkret gefertigt?
Auf den konventionell gefertigten Grundkörper wird per selektivem Laserschmelzen der Funktionsbereich aufgebracht. Auf diese Weise fertigen wir auch Hydrodehnspannfutter mit schlanker Kontur für die Direktspannung von Werkzeugen ab 3 mm Durchmesser.
Gibt es außer den bisher nicht zu realisierenden Geometrien weitere Vorteile, die aus der additiven Fertigung resultieren?
Durch die additive Fertigung können Kunden unsere Hydrodehnspannfutter bei Betriebstemperaturen von bis zu 170 °C prozesssicher einsetzen, denn dank dieser Fertigungsmethode können wir auf die temperaturkritische Lötstelle zwischen Spannhülse und Grundkörper verzichten. Das ist umso wichtiger, da die Trockenbearbeitung einen immer größeren Anteil an den Fertigungsprozessen, unter anderem aus Umweltaspekten einnimmt. Bei thermischen Belastungen, die über diese Temperaturgrenze hinausgehen, wie beispielsweise beim Rührreibschweißen, ist es uns mit der additiven Fertigung gelungen, ein eigenes Kühlsystem ins Spannfutter zu integrieren. Das heißt der Anwender kann auch bei deutlich höheren Bearbeitungstemperaturen prozesssicher mit unseren Futtern arbeiten.
Eignet sich die additive Fertigung denn überhaupt zur Serienfertigung oder nur für kundenspezifische Sonderspannmittel?
Wir bei MAPAL fertigen bereits seit 2014 mit unseren Maschinen in Serie. Heute betreiben wir mehrere 3D-Drucker an zwei Standorten. Aber natürlich eignet sich die additive Fertigung auch hervorragend für kundenspezifische Projekte.
Und wie sehen die Kosten aus?
Im Grunde ist es ja so: Die gänzlich neuen Konzepte für die Spanntechnik, die wir mit der additiven Fertigung umsetzen, bieten unseren Kunden einen klaren Mehrwert. Was also möglicherweise auf den ersten Blick teuer erscheinen mag, kann sich bei genauer Betrachtung und mithilfe von Amortisationsrechnungen als sehr rentabel erweisen.
Ein sehr eindrückliches Beispiel dafür ist eine Anwendung, die durch die Abmessungen des Bauteils eine lange Auskragung des Werkzeugs erfordert. Hier gibt es nun zwei Möglichkeiten. Entweder der Kunde setzt ein anwendungsoptimiertes, langes Spannfutter in Kombination mit einem Standardwerkzeug ein. Oder aber er verwendet ein Standardfutter und benötigt ein langes Sonderwerkzeug. Betrachtet man die Lebensdauer von Werkzeug und Spannfutter, haben sich in diesem Fall die höheren Anschaffungskosten des Sonderspannfutters bereits nach acht Werkzeugwechseln amortisiert.
Von welchen weiteren Entwicklungen im Bereich der Spanntechnik gehen Sie für die Zukunft aus? Wo liegen die Trends?
In allererster Linie wird die Sensorik in den Werkzeughaltern meines Erachtens in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen. Denn gerade in der Massenfertigung fordern die Kunden mehr und mehr Spannfutter, die sich in intelligente Fertigungsstrukturen mit einem hohen Automatisierungsgrad integrieren lassen. Und smarte Spannmittel mit entsprechender Sensorik können als Bindeglied zwischen Maschine und Werkzeug wichtige Daten zur Bearbeitung liefern.
Welche Vorteile ergeben sich aus diesen Daten?
Ist der Anwender beispielsweise durch die Daten über die Krafteinwirkung am Werkzeug informiert, kann er Rückschlüsse auf die verbleibende Standzeit ziehen. Er kann also seine Werkzeuge standzeittechnisch länger einsetzen oder im Umkehrschluss vor einem Werkzeugbruch austauschen. Zudem können dank entsprechender Daten Dispositionsgrößen genauer bestimmt und der digitale Service für Kunden ausgebaut werden.
Wie verändert sich die Rolle der Spanntechnik durch die Erfassung dieser Daten?
Die Rolle der Spanntechnik an sich ändert sich im Kern nicht. Ein Spannfutter spannt immer noch ein Werkzeug. Vieles darüber hinaus ändert sich. Die Möglichkeiten der Auswertung und genauen Abstimmung der einzelnen Faktoren vergrößern sich. Wie bei den Werkzeugen bieten wir unseren Kunden zudem zahlreiche Dienstleistungen über die „bloße“ Spannung der Werkzeuge hinaus. Unter anderem die angesprochenen Spannfutter, die genau auf die jeweilige Anwendung abgestimmt sind. Die finden übrigens auch schon in für MAPAL ganz außergewöhnlichen Bereichen ihren Einsatz.
Zum Beispiel?
Unsere Spannfutter werden heute unter anderem bei der Fertigung von Nähmaschinen und Wasserkraftturbinen eingesetzt. Wir haben viele neue Anwendungsfelder erschlossen, deren spezifische Anforderungen wir mit unseren Spannfuttern erfüllen. Ich denke da auch an Kunden aus dem Werkzeug- und Formenbau, die unser HighTorque Chuck (HTC) mit schlanker Kontur vielfach einsetzen.
Die Hydrodehnspannfutter mit schlanker Kontur haben Sie im vergangenen Jahr auch für die Direktspannung kleiner Durchmesser vorgestellt. Wie war die Resonanz darauf?
Sehr gut. Diese Spannfutter sind für uns der Türöffner bei vielen Anwendungen – unter anderem in der Elektronik-, der Medizin- sowie der Schmuck- und Uhrenindustrie. In diesem Bereich der ‚Miniaturisierung‘ haben wir intensiv weitergearbeitet und geforscht.