Erweiterte Dreh-Funktionalitäten für Standard-Werkzeugmaschinen
Um einen besonderen Kundenwunsch zu erfüllen, holte sich der Schweizer Hersteller von Fräs- und Fräsdrehzentren Reiden den Werkzeughersteller MAPAL mit ins Boot. Denn für die anspruchsvolle Innenbearbeitung von Bohrungen mit variabler Form war ein Aussteuerwerkzeug gefragt, das hohe Anforderungen erfüllt.
„Unsere Bearbeitungszentren sind auf höchste Flexibilität bei unterschiedlichen Aufgabenstellungen ausgelegt“, sagt Daniel Lustenberger, Leiter Marketing und Verkauf der Reiden Technik AG in Reiden in der Schweiz. Bei einem jetzt anstehenden Projekt habe der Kunde jedoch so spezielle Wünsche gehabt, dass Reiden diese mit den üblichen Bearbeitungsverfahren nur schwer oder gar nicht hätte darstellen können. Im Prinzip ging es darum, spezielle Innenkonturen mit Hinterschneidungen zu erzeugen. Solche Bearbeitungen erfordern den Einsatz von Aussteuerwerkzeugen, die eine zusätzliche interne Achse aufweisen, die seitlich ausgefahren werden kann. So können Anwender beispielsweise aus der Innenwand eines Zylinders eine Ringnut für eine Dichtung ausstechen.
„Bei Aussteuerwerkzeugen gibt es bewährte Ausführungen, die jeweils spezifische Besonderheiten aufweisen“, sagt Andreas Mollet, MAPAL Gebietsverkaufsleiter in der Schweiz. So gibt es beispielsweise Lösungen, die den Druck des axial über die Spindel zugeführten Kühlschmierstoffs auf einen Kolben nutzen, um den oder die Schieber auszufahren. Die Rückzugsbewegung erfolgt durch eine gespannte Feder, nachdem die Steuerung die Kühlschmierstoff abgeschaltet hat. Beide Bewegungen sind ungeregelt. Es erfolgt keine Rückmeldung, wenn die jeweilige Endlage erreicht ist. Deshalb müssen die Programmierer nach dem Befehl eine entsprechend lange Verweilzeit im NC-Programm vorsehen. Eine Alternative dazu sind Aussteuerwerkzeuge mit Zugstangenbetätigung. Die Zugstange durchläuft hierbei die Spindelachse. Die Maschinensteuerung steuert sie hydraulisch oder als zusätzliche NC-Achse an. Diese Zusatzausstattung erfordert jedoch ein Bearbeitungszentrum in Sonderausführung mit entsprechenden Einschränkungen bezüglich der Maschinenhersteller und der Wirtschaftlichkeit.
„Als Alternative zu klassischen Aussteuerwerkzeugen haben wir die TOOLTRONIC mit voller NC-Anbindung entwickelt“, sagt Andreas Mollet. Die mit Sensoren und Antrieben ausgestattete Einheit wird über eine induktive Kopplungseinheit an der Spindelunterseite mit Energie versorgt und kann bidirektional Daten übertragen. Sie stellt eine vollwertige zusätzliche NC-Achse in der Maschinensteuerung dar. So können Funktionalitäten moderner CNC-Steuerungen wie Indexierung, Interpolation verschiedener Achsen oder die Korrektur von Werkzeugverschleiß in vollem Umfang genutzt werden. Die Energieübertragung ermöglicht eine hohe Dynamik der integrierten Antriebe. Die bidirektionale Datenübertragung eröffnet zudem neue Bearbeitungs- und Regelungskonzepte. Dank der Integration in die Maschinensteuerung können Anwender mit der TOOLTRONIC Konturen erzeugen, die nicht radialsymmetrisch zur Hauptachse der Bohrung beziehungsweise des Zylinders sind. Ein weiterer Vorteil der Lösung sind die zahlreichen MAPAL Aufsatzwerkzeuge, die mit der TOOLTRONIC eingesetzt werden können.
„Die RX18 ist ein äußerst robustes und zugleich präzises 5-Achs-Fräsbearbeitungszentrum, das mit einem angetriebenen Drehtisch zum Fräs-Drehzentrum ergänzt werden kann“, erläutert Daniel Lustenberger. Für Drehbearbeitungen klemmen Anwender die Spindel ab. Sie fungiert dann als Meißelhalter. Der Drehtisch hat einen Durchmesser von 1.800 mm und erreicht eine maximale Drehzahl von 250 min-1. Diese Konfiguration ermöglicht Drehbearbeitungen bis zu einem maximalen Werkstückdurchmesser von 2.600 mm. Damit entfallen zeitaufwendige Werkstückwechsel zwischen Dreh- und Fräsmaschine. Zugleich vermeiden Zerspaner so die sonst unvermeidlich auftretenden Ausrichtabweichungen beim Umspannen.
Auf Wunsch des Kunden hat Reiden die RX18 zusätzlich für den Einsatz der TOOLTRONIC mit LAT-Plandrehkopf (Lineares Aussteuerwerkzeug) ergänzt. Der Meißel ist dabei auf einem radial verfahrbaren Schieber befestigt, der einen maximalen Hub von 56 mm erreicht. Er eignet sich damit besonders für Anwendungen, für die ein großer radialer Hub erforderlich ist.
Ausgereiftes Konzept erleichtert die Integration in die Maschine
„Die MAPAL TOOLTRONIC ist ein komplettes Paket mit umfassender Dokumentation, dessen ausgereiftes Konzept uns die erfolgreiche Integration in unsere Werkzeugmaschine erheblich erleichterte“, erinnert sich Daniel Lustenberger. Dazu gehörten mechanische und elektronische Schnittstellen an der Spindel ebenso wie Platz für die Unterbringung der TOOLTRONIC Steuerung im Schaltschrank. Die moderne Siemens-Steuerung der Reiden RX18 ermöglichte es, die Einheit als eigene Achse einzubinden. Bei der mechanischen Integration mussten die Verantwortlichen vor allem auf eine problemlose Auswechselbarkeit der Werkzeuge achten, da beim Induktivüberträger unterhalb der Spindel Störkonturen zu berücksichtigen waren.
Steuerungsseitig griffen die Maschinenexperten direkt auf die Funktionalitäten der Siemens-Steuerung zurück. Die Integration des Induktivüberträgers in die Mechanik ließ sich dank der Integration in die Steuerung problemlos bewerkstelligen. Im Schaltschrank traten darüber hinaus dank der kleinen, kompakten Steuerungseinheit keinerlei Schwierigkeiten auf. „Die TOOLTRONIC Einheit lässt sich wie ein normales Werkzeug automatisch aus dem Speicher an die HSK-A100-Schnittstelle der Spindel einwechseln“, erläutert Andreas Mollet.
„Bevor wir uns für die TOOLTRONIC entschieden haben, hat MAPAL uns umfassend beraten“, erinnert sich Daniel Lustenberger. Die anschließende Zusammenarbeit zwischen den Verantwortlichen von Reiden und MAPAL aus den Bereichen Konstruktion, Elektrotechnik und Steuerungstechnik habe reibungslos funktioniert. Bei der Inbetriebnahme des Systems unterstützten MAPAL Mitarbeiter und so lief auch dieser Prozess störungsfrei und nahm lediglich drei Tage in Anspruch. Bei den abschließenden Bearbeitungsversuchen erzielte das System beste Ergebnisse. „Mit dieser Zusatzlösung können wir unseren Kunden eine interessante Erweiterung der Funktionalitäten unserer Anlagen anbieten, ohne dass hierdurch deren Einsatzflexibilität beeinträchtigt wird“, bilanziert Daniel Lustenberger.
Einfach, schnell, sicher, prozesssicher: Schweizer Drehmaschinen-Hersteller TORNOS optimiert die Anwendungsperformance seiner Mehrspindel-Drehmaschinen.
