15.12.2021

Optimierung im Formenbau

Flexibilität und Produktivität mit Vollhartmetallwerkzeugen

Binnen sechs Jahren hat Marco Schülken das von ihm 2015 übernommene Thüringer Werkzeugbauunternehmen gründlich umgestaltet. Mit seinen 30 Mitarbeitern konnte er Kunden in verschiedenen Branchen gewinnen und neue Märkte auch im Ausland erschließen. Bei der Optimierung von Produktionsabläufen kam MAPAL ins Spiel.

Die Vorgängerfirma Ralf Grübel Werkzeugbau GmbH war ein inhabergeführtes Unternehmen in dritter Generation aus Waltershausen/Thüringen, das Marco Schülken im Rahmen einer geregelten Altersnachfolge übernehmen konnte. Schon mit dem in Schülken Form GmbH geänderten Firmennamen machte der neue Inhaber deutlich, dass mit einer neuen Marke auch ein frischer Wind in dieses alteingesessene Unternehmen des Werkzeug- und Formenbaus kommen soll.

Lieferte Grübel seine Produkte noch zu über 90 Prozent in die Automobilindustrie, so ist es Schülken gelungen, diese einseitige Ausrichtung aufzubrechen. Der Automobilanteil liegt aktuell bei unter 25 Prozent. Ihr Hauptgeschäft macht die Schülken Form heute mit Unternehmen aus der Medizintechnik und der Verpackungsindustrie. Im Medizinbereich sind die Thüringer stark bei Spritzgusswerkzeugen für Pipetten und Blutlanzetten. Die Lanzetten sind Stechhilfen für Diabetiker, werden jetzt aber auch für Covid-Tests genutzt.
 

Nach ersten Versuchen zur Schruppbearbeitung eines Schiebers begutachten Geschäftsführer Marco Schülken und Fertigungsleiter Marcus Vogt den getesteten Hochvorschubfräser MAPAL NeoMill-4-HighFeed-90  © MAPAL
„Wir realisieren für unsere Kunden hohe Produktionsmengen innerhalb kürzester Zeit“, erläutert Marco Schülken die Kompetenz seines Unternehmens. Mit hochfahrigen Werkzeugen, die bis zu 128 Kavitäten aufweisen, bewegt sich Schülken Form im absoluten High-End-Bereich des Werkzeug- und Formenbaus. Das wurde auch mit der Wahl zum „Werkzeugbau des Jahres“ in den Jahren 2016, 2018 und 2020 gewürdigt. Seinen Exportanteil hat Schülken während der vergangenen Jahre auf inzwischen über 60 Prozent gesteigert. Das Unternehmen liefert derzeit nach Polen, Russland, Weißrussland und die Schweiz. Der Markteintritt in Singapur und Vietnam wird gerade vorbereitet. In Russland haben die Thüringer 2016  eine Tochtergesellschaft gegründet. 

Alles auf dem Prüfstand

Neben der Ausrichtung auf neue Märkte wurde bei Schülken Form auch innerbetrieblich gründlich umstrukturiert. „Wir haben im Haus nahezu jede Maschine und jeden Prozess angefasst und dabei sehr viel investiert“ berichtet der Geschäftsführer. Bei diesem Umstrukturierungsprozess war von Anfang an Fertigungsleiter Marcus Vogt mit dabei, den ständig die Frage umtreibt, wie die Performance im Unternehmen weiter verbessert werden kann. Zwar gebe es auch beim Drahterodieren oder Senkerodieren immer wieder mal etwas Neues, aber das Fräsen sei die schnelllebigste Bearbeitungstechnologie. „Man muss hier ständig schauen, womit man etwas verändern und verbessern kann“, so Vogt. 

Schon die Firma Grübel hatte hier auf gute Maschinen Wert gelegt und setzte zum Fräsen ausschließlich Bearbeitungszentren von Hermle ein. Allerdings arbeitete dieser klassische Werkzeugbau noch eher wie ein Handwerksbetrieb. Ihre Programme haben die Mitarbeiter selbst direkt an den Maschinen erstellt. Vogt sah hier dringenden Handlungsbedarf: „Bevor wir an die Fräswerkzeuge herangegangen sind, haben wir die ganze Prozesskette überarbeitet. Wir haben Programmierarbeitsplätze eingerichtet und die komplette Fertigung auf ein neues System umgestellt.“
 

Trotz vielfältiger Anforderungen in der Fertigung ist Schülken Form bestrebt, alles mit einer standardisierten Werkzeugliste zu bewältigen, die auf 300 verschiedene Typen begrenzt ist  © Schülken Form

Hartfräsen macht flexibel

Im nächsten Schritt ging es an die eigentliche Technologie mit der Kernfrage, wie die Bauteile am besten bearbeitet werden können. „Der klassische Weg im Werkzeugbau ist ja entweder das Vorfräsen, Härten und anschließende Schleifen oder das Senkerodieren“, beschreibt Vogt die Ausgangssituation. Um die Produktion je nach Fertigungsauslastung flexibler gestalten zu können, hat Schülken das Hartfräsen hinzugenommen. Zwar werden in Waltershausen nach wie vor auch Teile nach der klassischen Methode hergestellt, doch vor allem wenn es schnell gehen muss, ist es auch kein Problem mehr, gleich nach dem Härten mit dem Fräsen zu beginnen. „Heute sind wir so weit, dass wir viele Bearbeitungen nach der Auslastung der einzelnen Abteilungen auswählen können“, freut sich Marcus Vogt.

Damit waren die Optimierungsmaßnahmen noch nicht am Ende. Als Schülken Form nach neuen Fräswerkzeugen für das Hochvorschubschruppen Ausschau hielt, war das etwa die Zeit, als sich MAPAL den Werkzeug- und Formenbau als Markt zu erschließen begann. Wie Schülken hatte sich auch der Präzisionswerkzeughersteller aus Aalen das Ziel gesetzt, durch die Hinzunahme weiterer Branchen die Abhängigkeit vom Automobilbau zu verringern.
 

Mit einer Härte von 56 HRC und Querlöchern stellt der zu bearbeitende Rahmeneinsatz sehr hohe Anforderungen an den Tieflochbohrer  © MAPAL
Für die Zukunft habe MAPAL eine klare Ausrichtung auf Marktsegmente, erläutert Uwe Rein, Sales Director Die & Mould MAPAL. Neben dem angestammten Bereich Automotive nennt er vor allem die Segmente Aerospace, Werkzeug- und Formenbau sowie Allgemeiner Maschinenbau. „Im Werkzeug- und Formenbau gehen wir sehr selektiv und strukturiert vor“, sagt Rein. Drei Jahre lang habe man auf den Markteintritt im September 2020 hingearbeitet und ein Sortiment speziell für dieses Segment entwickelt. Präsentiert wurde schließlich ein eigener Katalog mit rund 6.500 Artikeln. 

Werkzeugbau im Wandel

Verglichen mit der Automobilindustrie, wo MAPAL seit vielen Jahren vor allem mit maßgeschneiderten Sonderwerkzeugen für große Stückzahlen sehr erfolgreich ist, scheinen die Anforderungen im Werkzeug- und Formenbau zunächst ganz andere zu sein. Hier geht es immer um Einzelstücke oder kleine Lose, die tunlichst mit Standardwerkzeugen bearbeitet werden sollen, damit die Betriebe damit verschiedenste Aufträge abarbeiten können. Doch hat auch im klassischen Werkzeugbau ein Wandel eingesetzt, der bei Schülken Form bereits deutlich zu erkennen ist. 

„Der Weg geht hin zum Industriewerkzeugbau“, bringt es Marcus Vogt auf den Punkt. „Früher hat man nur darauf geachtet, dass ein anständiges Teil rauskommt, heute müssen wir auch auf die Zeiten schauen.“ Digitalisierung und Automatisierung ziehen auch in den Werkzeug- und Formenbau ein. Vogt plant vorab die Herstellung aller Bauteile für jede Abteilung mit einer bestimmten Zeit ein. Dabei geht es nicht um Sekunden, aber immerhin um Minuten. Um die vorgegebenen Zeiten zu erreichen, wird Prozesssicherheit immer wichtiger.

Dabei werden die zu bearbeitenden Materialien zunehmend anspruchsvoller. Üblich sind heute Edelstähle mit einem Chromanteil von 13 Prozent, was für einen erhöhten Werkzeugverschleiß sorgt. Auch die Zähigkeit neuer pulvermetallurgischer Stähle ist eine Herausforderung. Dabei sind Maßhaltigkeit und Oberflächengüte wichtige Aspekte.
 

Führungsbahnen für den Schieber des 64-fach Werkzeugs werden mit dem MAPAL OptiMill-Hardened-Finish sauber geschlichtet  © MAPAL

Vergleich liefert eindeutige Ergebnisse

Die Messlatte lag hoch, als Schülken mit dem OptiMill-3D-HF-Hardened das erste MAPAL Werkzeug testete. Dieser Hochvorschubfräser aus Vollhartmetall eignet sich aufgrund seiner speziellen Linsenkopfgeometrie nicht nur zum Schruppen, sondern auch zum Hochglanz-Schlichten von Ebenen im Harten bis 68 HRC. Das kam den Anforderungen von Marcus Vogt entgegen: „Ein spezielles Werkzeug für eine spezielle Bearbeitung ist nichts für uns. Ich wähle immer Werkzeuge, mit denen ich mehrere Bereiche abdecken kann. Das sind genau solche Vollhartmetallwerkzeuge, mit denen ich sowohl im Harten als auch im Weichen schruppen kann.“

Die Ergebnisse mit dem VHM-Hochvorschubfräser überzeugten auf Anhieb und sorgten dafür, dass dieses Schruppwerkzeug mit seiner höheren Performance anstelle des zuvor eingesetzten Werkzeugs eines anderen Herstellers in Schülkens standardisierte Werkzeugliste aufgenommen wurde. Der Fertigungsleiter begrenzt diesen Werkzeugsatz auf 300 verschiedene Typen und hat den Anspruch, damit alle Anforderungen erfüllen zu können – und das, obwohl kein Teil ist wie das andere. „Für die entsprechenden Anwendungen nehmen wir jetzt kein anderes Werkzeug mehr als diesen Fräser von MAPAL“, sagt Vogt.

Das gilt auch für das nächste Werkzeug, das Schülken einem Vergleichstest unterzog, den Schlichtfräser OptiMill-Hardened-Finish, der bis zu 3xD ap Zustellung in einem Schnitt bis 68 HRC Flächen schlichten kann. Vogt berichtet von begeisterten Kollegen an der Maschine: Beim Schlichten von gehärtetem hochlegiertem Werkzeugstahl 1.2083 hat der Fräser mit Top-Oberflächen und hohen Standzeiten überzeugt. Mit diesem Werkzeug werden unter anderem kleine Taschen auf Passung gefräst. Nach den beiden VHM-Fräsern testet Schülken gerade einen Hochvorschubfräser mit Wendeschneidplatten, den MAPAL NeoMill-4-HiFeed90, dessen positive Schneiden einen weichen Schnitt erzeugen.
 

Letzte Grenze überschritten

In enger Zusammenarbeit mit MAPAL wagt sich Schülken auch an Dinge, die bisher als äußerst problematisch galten: Tieflochbohren in gehärtetem Stahl mit Querlöchern. Die Thüringer überschreiten damit die letzte Grenze, um einen Formeinsatz komplett aus dem Harten herzustellen. Dank mehrerer eingesparter Bearbeitungsschritte halbiert Schülken die Bearbeitungszeit solcher Formeinsätze auf nunmehr zwei Wochen. Der Bohrer ist ein gutes Beispiel für die kundennahe Werkzeugentwicklung bei MAPAL.
Mit dem MAPAL Tieflochbohrer gelingen Schülken Form tiefe Bohrungen in gehärtetem Stahl mit Kreuzbohrungen  © MAPAL
Bei einem Durchmesser von 8 mm schafft er Tiefen von 20xD und weist einige Besonderheiten auf. Er hat eine speziell geformte Spannut, die den Bohrer gegen Verdrallen stützt und das Werkzeug sehr stabil macht. Die Nut verleiht dem Span eine ganz eigene Form, welche die Spanabfuhr unterstützt. Die Pyramidenspitze unterstützt das Anbohrverhalten nach dem Durchbrechen der Querbohrungen maßgeblich. Das Werkzeug stützt sich über vier Führungsfasen in der Bohrung ab und übernimmt die Führung, wenn die Spitze sich gerade in einer Querbohrung befindet. Einziger Wehrmutstropfen: Dieser Bohrer ist derzeit noch ein Sonderwerkzeug. Bei entsprechender Nachfrage erwägt MAPAL allerdings, ihn in sein Standardsortiment aufzunehmen.

Verfügbarkeit der Werkzeuge ist entscheidend

Performance verlangt Schülken nicht nur bei der Bearbeitung, wie Vogt erläutert: „Bei der Auswahl von Werkzeuglieferanten ist uns wichtig, dass die Werkzeuge sofort verfügbar sind. Und dass ich, falls mal ein Problem auftritt, einen Ansprechpartner habe, der auch weiß, wovon er redet.“ Dieser Ansprechpartner ist Produktspezialist Felix Wendler, der den Werkzeug- und Formenbau vom thüringischen MAPAL Standort Meiningen aus betreut. Ihm ist es wichtig, vor allem beim Test neuer Werkzeuge vor Ort beim Kunden zu sein: „Ich möchte gerne hören, wie das Werkzeug bei der Bearbeitung klingt, daraus lässt sich vieles schließen. Wenn ich Oberflächen sehe und fühle, kann ich sagen, was geändert werden muss, damit es besser funktioniert.“

Für zügigen Nachschub der Standardwerkzeuge sorgt das Logistikkonzept von MAPAL. Von den rund 6.500 Artikeln im Katalog für den Werkzeug- und Formenbau ist ein Großteil innerhalb von 24 Stunden verfügbar. Etwas speziellere Abmessungen können innerhalb von fünf Tagen geliefert werden. Schülken Form kommt das sehr entgegen, bleibt dem Unternehmen doch zunehmend weniger Zeit, um seine komplexen Spritzgusswerkzeuge zu fertigen.
 


Kathrin Rehor, PR Project Manager bei MAPAL

Kontakt

Kathrin Rehor Public Relations Kathrin.Rehor@mapal.com Tel.: +49 7361 585 3342


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